Unterstützung der Heimatverbliebenen ist Pflicht für die Landsmannschaften

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Mehrfach hat die AGMO e.V. - Gesellschaft zur Unterstützung der Deutschen in Schlesien, Ostbrandenburg, Pommern, Ost- und Westpreußen eine stärkere politische Unterstützung der Heimatverbliebenen durch die ostdeutschen Landsmannschaften gefordert. Dabei ist es nicht nur eine Frage der Solidarität, sich für die Landsleute einzusetzen; die Frage nach dem Fortbestand der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen schließt die Frage nach deutschen Kindergärten und deutschen Grundschulen ein und ist wegweisend für die Frage nach dem Sinn landsmannschaftlicher Arbeit im 21. Jahrhundert.

Die Zukunft in der Heimat Gestalten: Von der AGMO e.V. geförderter Deutschwettbewerb in Flößingen, Kreis Gleiwitz

Veränderungen in Europa: Chancen für Minderheiten

In den Resultaten der bisherigen politischen Entwicklung liegen sowohl Herausforderungen als auch Lösungsmöglichkeiten begründet: Aus den deutsch-polnischen Verträgen (1990 und 1991) folgt die Notwendigkeit einer inhaltlichen Neuausrichtung auf den Erhalt des ostdeutschen Kulturgutes in den Heimatgebieten. Gleichermaßen leitet sich aus der Einung Europas mit dem EU-Beitritt der Republik Polen im Jahr 2004 eine vorzügliche Chance für die Realisierung dieses Umgestaltungsprozesses ab. Letztendlich bedeutet nämlich die energische Unterstützung der Deutschen in der Heimat nichts anderes als den Erhalt eines lebendigen Kulturträgers.

Parallel zur Bewahrung der heimatlichen Kultur in Landesmuseen und Heimatstuben sollte somit verhindert werden, daß jenseits vo Oder und Neiße die Zahl der in entsprechenden Vereinigungen organisierten Deutschen immer weiter abschmilzt. Die dort verbliebenen Repräsentanten ostpreußischer, westpreußischer, pommerscher, brandenburgischer und schlesischer, mithin deutscher Kultur, könnten dieses Kulturgut gemeinsam mit den nach 1945 angesiedelten Polen lebendig halten, würde man sie genug fördern. Hierfür ist jedoch die Wahrung und Stärkung der deutschen Identität notwendig, die in der unumgänglichen Pflege der Muttersprache zum Ausdruck kommt, d.h. in einer adäquaten und durchgehenden Unterrichtung vom Kindergarten an.

Zu denken geben sollte ebenfalls das 60jährige Jubiläum der Charta der deutschen Heimatvertriebenen, heißt es doch in diesem Manifest: „Wir werden jedes Beginnen mit allen Kräften unterstützen, das auf die Schaffung eines geeinten Europas gerichtet ist.“ Hierbei darf die Bedeutung des Kulturtransfers nicht übergangen werden: Die Heimatverbliebenen sind womöglich die besten Botschafter, die man sich vorstellen kann, da sie sowohl zur deutschen Nation als auch zu ihren polnischen Mitbürgern in Beziehungen stehen, die nicht durch Verträge und Gesetze vorgeschrieben, dafür aber gelebt werden müssen. Somit bergen die Deutschen in der Republik Polen ein hohes Potential zur Verwirklichung eines wahrhaft geeinten Europas – einem der wesentlichen Ziele landsmannschaftlicher Arbeit.

Ansätze im landsmannschaftlichen Bereich ausbauen

Jedoch scheint es, als ob nur die wenigsten landsmannschaftlichen Entscheidungsträger diese Möglichkeiten erkannt hätten. Eine gute Initiative ergriff 2009 der BdV Niedersachsen mit der von ihm in der BdV-Bundesversammlung erwirkten Entschließung (18.03.2009), die den Deutschen in der Heimat hinsichtlich eigener Bildungseinrichtungen den Rücken stärkt (vgl. AGMO-Intern 1/2010). Es ist zu hoffen, daß in Zukunft weitere Vertriebenenorganisationen diesem Vorbild folgen werden. Wenn in der Bundesrepublik Deutschland ein Bewußtsein für die heimatverbliebenen Deutschen in der Republik Polen entstehen soll, so kann dies nur schwerlich möglich sein, wenn schon die eigenen Landsleute keinen Schulterschluß zustande bringen. Hierfür muß jedoch seitens der Landsmannschaften erkannt werden, daß die Unterstützung der Heimatverbliebenen keinen Selbstzweck, sondern eine Sinngebung, d.h. Fortführung der eigenen Arbeit darstellt.

OMV-Beschluß: Umsetzung von Minderheitenrechten

Erfreulich ist, daß die Ost- und Mitteldeutsche Vereinigung (OMV) anläßlich ihrer Bundesversammlung in Berlin vom 18. bis 19.12.2009, bei der Helmut Sauer als Vorsitzender und Prof. Dr. med. Dr. h.c. Michael Pietsch (AGMO e.V.) als einer der Stellvertreter bestätigt worden sind, mehrere Beschlüsse gefaßt hat, von denen der zum deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag von 1991 von besonderem Interesse ist. Der Bundesdelegiertentag der OMV hat festgestellt, daß wesentliche vertragliche Vereinbarungen des oben genannten Vertrages nicht umgesetzt worden sind. Hierzu zählen die Verpflichtung, Probleme im Zusammenhang mit Kulturgütern und Archivalien zu lösen, und die Zusage, den internationalen Standard für Minderheiten zu gewährleisten. „Vermißt wird insbesondere der Unterricht in der Muttersprache in den Gebieten, die heute noch einen beachtlichen deutschen Anteil aufweisen.“ Zur Begründung wird ausgeführt: „Der internationale Standard für Minderheiten, der u.a. auch Unterricht in der Muttersprache und in öffentlichen Bildungseinrichtungen sowie deren Gebrauch bei Behörden vorsieht, ist in Polen nicht gegeben.“

Umdenken von Bundesregierung und im Bundestag?

Die AGMO e.V. begrüßt diese Forderung, weist sie doch seit vielen Jahren auf das fortdauernde Fehlen deutscher Kindergärten und deutscher Grundschulen hin, wie in der AGMO-Studie vom Spätsommer 2007, basierend auf Befragungen deutscher Vereinigungen (DFK), ausführlich dargestellt wurde. Nun wird sich OMV-Bundesvorsitzender Sauer an seine Parteivorsitzende Dr. Angela Merkel wenden müssen, um den Beschluß umzusetzen. Die Bundesregierung wird sich an ihren jahrzehntelangen Versprechen und an ihrer Obhuts- und Schutzpflicht auch für die in der Heimat verbliebenen Deutschen messen lassen müssen. Sollte die Bundeskanzlerin wie in anderen deutsch-polnischen Vorgängen schweigen und das Fehlen deutscher Kindergärten und Grundschulen nicht thematisieren wollen, gibt es noch die Möglichkeit einer parlamentarischen Anfrage an die Bundesregierung, die von dieser zu beantworten ist. Diesen Schritt könnte der Abgeordnete Brähmig als neu gewählter Vorsitzender der Gruppe Vertriebene und Flüchtlinge der CDU/CSU-Bundestagsfraktion über seine Fraktion gehen. Eine solche Anfrage ist auch anderen Fraktionen in Form einer kleinen Anfrage oder einzelnen Abgeordneten in Form von schriftlichen Einzelfragen gemäß den Bestimmungen der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages möglich.