Tschechen und Sudetendeutsche diskutierten in Marienbad

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Die gemeinsame Geschichte – trennt oder verbindet sie?

Aus Wien, von der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Österreich (SLÖ) erreichte die AGMO e.V. folgende interessante Pressemitteilung, die wir gerne auf diesem Wege über unsere Netzseite weiter verbreiten möchten.

Die SLÖ berichtet darin über eine Zusammenkunft von gesellschaftlichen und politischen Vertreter der Tschechischen Seite und solchen aus den Reihen der Sudetendeutschen in Marienbad vom 10.10. bis zum 12.10.2014. Das ist ein gutes und hoffnungsvolles Zeichen, welches da von Marienbad aus in die Welt geht. Derartige Gelegenheiten führen stets vor Augen, dass viele Landsmannschaften – nicht nur die Sudetendeutschen, aber auch die Westpreußen, Ostpreußen und die Landsmannschaft Schlesien – Vorreiter bei der Verständigung mit den Nachbarn im Ostmitteleuropäischen Raum sind. Wer Verständigung wirklich will, der muss die Arbeit vieler Landsmannschaften in diesem Bereich wertschätzen.

Man muss nach derartigen Tagungen nicht einhellig einer Meinung sein. Doch der Dialog, der Gedankenaustausch kommt in Gang und das stellt ein gutes Signal dar. Dir AGMO e.V. ist der Hoffnung, dass auch von Tagungen wie dem jüngsten Schlesienseminar vom 24. bis 27.09.2014 auf Schloss Groß Stein / Oberschlesien ähnliche Signale in Gesellschaft und Politik in der Republik Polen ausgehen wie durch die Tagung in Marienbad an die tschechische Seite.

Sudetendeutscher Pressedienst (SdP)
Österreich

Wien, am 15. Oktober 2014

Vorträge zum Thema hielten fünfzehn Referenten aus Deutschland und der Tschechischen Republik vor rund fünfzig Teilnehmern aus den genannten Staaten – und Österreich war durch Gerhard Zeihsel – bei dem traditionsreichen, langjährigen Deutsch-Tschechischen Seminar des Sudetendeutschen Rat e.V., vertreten.

Die Tagung leitete und moderierte souverän Christa Naaß, MdL.a.D. als Generalsekretärin des Sdd. Rates. Der Bürgermeister von Marianské Lázně, Zdeněk Kral, nahm in herzlicher Form die Begrüßung vor und beendete sein Amt – denn bei den gerade stattgefundenen Kommunalwahlen am 10./11. Oktober kandidierte er nicht mehr fürs Bürgermeisteramt. Ein alter Freud der Tagung, Karel Herr, Vzbgm.a.D. gab uns wieder die Ehre.

Sudetendeutsche Fahnen

Unter der umsichtigen Moderation von Steffen Hörtler, SL-Bundesvors.-Stellv., stand der Abend des 10.10.2014. Hartmut Koschyk, MdB und Beauftragter der deutschen Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten berichtete über seine vielfältigen Aufgaben – im In- und Ausland, wo der deutschen Minderheit – den Verbliebenen Deutschen – Hilfestellung in vielen Bereichen geleistet wird. Dabei ist eine „positive Diskriminierung“ – also eine Bevorzugung nötig z.B. in Parlamenten einen Minderheitenvertreter zu haben.

Über „Sudetendeutsch in der tschechischen Wahrnehmung. Ein Begriff zwischen Ablehnung, Abstand und Ausgleich“ referierte Dr. phil. Mirek Němec, Lehrstuhl Germanistik in Aussig an der Elbe/Usti nad Labem.

Er erklärte wie es von der Bezeichnung Deutsch-Böhmen schließlich ab 1903 durch Jesser zum Sammelbegriff Sudetendeutsche – neben den Begriffen Alpendeutsche in Österreich und Karpatendeutsche in der Slowakei, kam. Die später bei den Tschechen verpönte Bezeichnung wurde in den 1990er Jahren wieder fallweise verwendet, wie von „Antikomplex“ bei dem Buch und der Ausstellung „Das verschwundene Sudetenland“. Dr. Němec ist auch im Verwaltungsrat des Collegium Bohemicum,  das mit der Fertigstellung des „Deutschen Museums in Usti/Aussig“ aus finanziellen Gründen stockt.

Unter der Moderation von Christa Naaß standen die Vorträge vom 11.und 12.10. und auch die Aussprachen dazu.

Zum Thema „Deutsche und Tschechen in der Zukunft unter dem Gesichtspunkt Technologischer Zusammenarbeit“ sprach ein Vertreter der tschechischen Regierung in Prag.

Arnošt Marks, Vize-Minister beim Vizepremier und Vizewissenschaftsminister Pavel Belobradek. Seine vielen Beispiele funktionierender wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Zusammenarbeit könne aber nicht davon ablenken – meinten Diskussionsteilnehmer – dass ein Nachholbedarf noch in der Aufarbeitung der Vergangenheit besteht und die emotionelle Ebene gegenüber den Vertriebenen – noch kein festes Fundament für bessere Zusammenarbeit sichert! Marks bedauert dass das Bild der ČR in Bayern ungenügend wahrgenommen wird,  wie auch umgekehrt.

Stephan Mayer, MdB sprach zur „bayerisch-tschechischen/deutsch-tschechischen Zusammenarbeit“ – wobei er feststellte, dass sich Normalität breitmache – was nicht gut sei für die gegenseitige Neugier. Die Sprachprobleme – 322.000 Schüler in der ČR haben Deutsch als 2. Pflichtsprache gewählt, in Bayern wären das viel weniger. Wichtig wären jetzt beide Museumsprojekte in München und Aussig.

Es folgte von Ralf Pasch die Vorstellung seines Buches „Die Erben der Vertreibung – Sudetendeutsche und Tschechen heute“ und anschließend einem sehr interessanten Gespräch mit zweien seiner Interviewpartner, den Herren Bucholz und Miksch.

LAbg a.D. Gerhard Zeihsel, Bundesobmann der SLÖ

Albrecht Schläger, MdL a.D. berichtete über den „Deutsch-tschechischen Zukunftsfond“ mit seiner Förderung von vielfältigen Projekten für die deutsch-tschechische Zusammenarbeit. Thema des Jahres 2015 sind besonders die Förderung von Grenzprojekten.

Dr. Elisabeth Fendl, die Gründungsbeauftragte für das Sudetendeutsche Museum in München stellte das Konzept und den aktuellen Planungsstand vor. Man spürte ihre starke Einstellung zu diesem Projekt des Gedächtnisses der Volksgruppe.

Jakub Štědroň, Direktor des Prager Hauses nationaler Minderheiten betreut 12 anerkannte Minderheiten in Prag, darunter die recht aktive deutsche Minderheit. Das Haus steht für die verschiedensten Veranstaltungen zur Verfügung.

Peter Barton
ist Leiter des Sudetendeutschen Büros in Prag und betreut viele Gäste die aus Deutschland und Österreich zu Besuch kommen und durch sein aufgebautes Netzwerk sind viele interessante und wichtige Begegnungen möglich.

Tomáš Lindner sprach zum Thema „25 Jahre Samtene Revolution – ein Journalist zieht Bilanz“. Er kam zu dem Schluß, dass sich in der ČR viel zum Bessern im Verhältnis zu den Deutschen geändert hat. Das sah man zuletzt bei der Fußball-WM als die Tschechen mehrheitlich zur deutschen Mannschaft hielten! Aber auch mit den Heimatvertriebenen gibt es viele gemeinsame Projekte auf Ortsebenen – es fände eine „stille Revolution“ statt.

Am 12.10. feierten wir eine Morgenandacht mit Visitator a.D. Monsignore Karl Wuchterl.

Dann ging es weiter zum Motto der Marienbader Gespräche „Die gemeinsame Geschichte – trennt oder verbindet sie“?
Dr. Jan Hloušek, Konsul a.D. hatte in seinen dipolomatischen Funktionen – u.a. in Wien und München – viele gute Kontakte mit den Sudetendeutschen. In seinem Referat stellte er seine Beobachtung fest, dass sowohl Tschechen als auch Sudetendeutsche das eigene Mitleid als Opfer, in den Vordergrund stellen. Dass die Vertreibung rechtswidrig war stehe fest, trotzdem werden die Beneš-Dekrete in der ČR bei Wahlen immer „benützt“ um Stimmung gegen die Sudetendeutschen zu machen. Die Tschechen sollten sich noch stärker der Geschichte ihres Landes stellen und es wäre nur natürlich, in den Rathäusern auch die Bilder der deutschen Bürgermeister  - in früher deutschen Orten -  aufzuhängen.

Hloušek erinnerte daran, dass auch Sudetendeutsche – nicht nur Tschechen – Totengräber der Monarchie waren.

Es folgte ein fundierter Vortrag von Bernd Posselt, MdEP.aD., dem Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe – wie meist, sprach er frei.

Er meinte zum Thema, wie man mit der Geschichte umgehen soll, ob man sie den Historikern überlassen solle – dass die Geschichte uns alle angehe, sie dürfe nicht verdrängt werden. Ein französisches Sprichwort sagt richtig: „Die Geschichte kehrt im Galopp zurück!“ Er untermauerte an vielen heutigen Beispielen die Ursachen. Auch erinnerte Posselt an die Deutsch-Tschechische Erklärung wo die Sudetendeutschen als Gruppe nicht dabei war, es wurde ohne sie, über sie gehandelt.

Wir sollten das Grenzland heute als Verbindendes nützen und zwischen Nationen und Regimen zu unterscheiden.

Es folgten zwei Vorträge über „Kulturelle Projekte, die verbinden.“

David Stecher, Direktor des Prager Literaturhauses stellte das Haus mit seinen wichtigen Funktionen für die deutsche Literatur und die 10 jährige Tätigkeit vor.

Dr. Miroslav Vidlák, ein Fremdenverkehrsexperte stellte als letzter Redner den „Marienweg/Mariánská Cesta“ vor (www.marianska-cesta.cz). Er verläuft vom bekannten Kloster Maria Kulm/Chlum Svaté Maří über Prag, Znaim, Wien, Graz, Salzburg, München, Regensburg, Weiden und endet in Maria Kulm.

Nach den Vorträgen bestand die Möglichkeit von Fragen und Diskussionsbeiträgen – von der reichlich Gebrauch gemacht wurde.

Christa Naaß konnte ein positive Schlussbetrachtung dieser Tagung zusammenfassen und eine gute Weiterentwicklung der gemeinsamen Bemühungen in der Zukunft wünschen.

In der Sudetendeutschen Zeitung, München, Folge 42, vom 17. Oktober 2014 erscheint ein ins Detail gehender Bericht über die „Marienbader Gespräche“ von Nadira Hurnaus. http://www.sudeten.de/cms/?Presse

Informieren Sie sich auch im Internet unter http://www.hausderheimat.at

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