Begegnungen mit einer Kulturregion - Das neueröffnete Westpreußische Landesmuseum bietet neue Einblicke in die deutsch-polnische Geschichte

Drucken

Historische Möbel stehen in einem ‚blauen Salon‘, in dessen Fenstern sich die Silhouette der altehrwürdigen Marienkirche abzeichnet; und von der Katharinenkirche klingt das Glockenspiel herüber. Zu Besuch in einem Danziger Patrizierhaus? Nein, der Raum, der dem Besucher diese Eindrücke vermittelt, ist Teil der Dauerausstellung des neueröffneten Westpreußischen Landesmuseums. Nach langer Wartezeit und langwierigen konzeptionellen Änderungen öffnete die zentrale Kultureinrichtung für die historische Weichselprovinz im Bundesgebiet am zweiten Adventswochenende 2014 am neuen Standort die Pforte: im alten Franziskanerkloster der westfälischen Kreisstadt Warendorf.

M. Oxfort, Prof. E. Fischer u. M. Grütters bei der Eröffnung des
Westpreußischen Landesmuseums in Warendorf (Bild: T. Hölscher)

Dorthin waren an diesem Adventswochenende Vertreter aus Wissenschaft, Kultur und Politik gekommen, um gemeinsam mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) die Wiederaufnahme des Museumsbetriebs zu feiern. Zu den Gästen bei einer Feierstunde am Samstag gehörte neben dem Vorsitzenden der Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten in der Unions-Bundestagsfraktion, Klaus Brähmig, der letzte deutsche Bundesvertriebenenminister, Heinrich Windelen.

Angesichts des absehbaren Fehlens von Zeitzeugen stellt „die Geschichte und das kulturelle Erbe Westpreußens für nachfolgende Generationen als Beitrag zu einer friedlichen Zukunft in einem gemeinsamen Europa“ für Grütters „eine Herzensangelegenheit“ dar.

Das Westpreußische Landesmuseum befindet sich in Trägerschaft der Kulturstiftung Westpreußen. Deren Vorstandsarbeit leitet der Bonner Kulturwissenschaftler  Prof. Dr. Erik Fischer, dessen langjähriges Forschungsprojekt „Deutsche Musikkultur im östlichen Europa“ sich immer wieder auch mit Fragen auslandsdeutscher Musikkulturen befaßte. Als stellvertretende Vorsitzende stehen ihm die jüngeren bzw. jungen Historiker Dr. Georg Cox und Vincent Regente zur Seite. Mit Cox gehört dem Vorstand ein Vertreter der Deutschordensforschung an, die auf eine in Vorwendezeiten zurückreichende Tradition deutsch-polnischer Zusammenarbeit blicken kann. Vincent Regente war zuvor unter anderem als wissenschaftlicher Mitarbeiter für den Frauenverband im Bund der Vertriebenen tätig, der enge Kontakte zu den Deutschen östlich von Oder und Neiße pflegt.

Die Konzeption und Präsentation der Ausstellung trägt die Handschrift dieser Nachkriegsgeneration in Geschichts- und Kulturwissenschaft. Neben die historische Chronologie treten Darstellungen von übergreifenden Schwerpunktthemen. Hierzu zählt mit Blick auf Westpreußen das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Polen – vor allem der kulturelle Beitrag der deutschen Bevölkerungsgruppe im sogenannten „Königlichen Preußen“, das über 300 Jahre zur polnischen Krone gehörte. Hiervon zeugen Silber- und Kunstarbeiten aus jener kulturellen Blütezeit, die in ihrer kulturellen Vielfalt für das heutige Europa Vorbildcharakter haben kann. Doch verschweigt die Ausstellung auch nicht die Schattenseiten des zunehmenden Nationalismus seit dem späteren 19. Jahrhundert – auf deutscher und polnischer Seite. Einem ‚Tanz auf dem Vulkan‘ folgten Massaker, Konzentrationslager und Heimatverlust. Indem die Dauerausstellung diese Entwicklung nachzeichnet, leistet sie Aufklärungsarbeit – im Sinne eines offenen Diskurses zwischen Deutschen und Polen über ihre getrennte Geschichte und gemeinsame Zukunft.

Den noch heute in Westpreußen lebenden Deutschen ist zwar keine eigene ‚Abteilung‘ gewidmet – was jedoch auf Grund der, anders als in Schlesien, geringen Größe der verbliebenen deutschen Volksgruppe erklärlich ist. Es darf allerdings davon ausgegangen werden, daß die deutsche Volksgruppe auch in Zukunft in die Arbeit des Westpreußischen Landesmuseums einbezogen wird. Hierfür ist diese Einrichtung in besonderer Weise prädestiniert, da sie – anders als andere ostdeutsche Landesmuseen – über eine eigene Zweigstelle im Heimatgebiet, im kaschubischen Krockow, verfügt. Hier ist derzeit etwa eine Ausstellung über verwaiste evangelische Friedhöfe in Arbeit.

Informationen: www.westpreussisches-landesmuseum.de