AGMO-Archiv: Der Fall Osmenda

Drucken

Mit Beginn ihrer Tätigkeit für die in der schlesischen Heimat verbliebenen Deutschen klärte die Arbeitsgemeinschaft Menschenrechtsverletzungen in Ostdeutsch-land in der Schlesischen Jugend (AGMO/SJ) die bundesdeutsche Öffentlichkeit seit An-fang der 1980er Jahre über die Rechtsverletzungen in der damaligen Volksrepublik Polen auf. Hierbei unterhielt sie Kontakte zu Deutschen in Oberschlesien, die sich im Untergrund bewegten und im Falle einer Aufklärung durch die polnischen Geheimdienste mit berufli-chen Nachteilen, Gefängnisstrafen und körperlicher Gewalt rechnen mußten. Aufgrund der Nichtanerkennung als Deutsche und jahrzehntelanger Unterdrückung stellten zahlrei-che Familien Ausreiseanträge, die wiederum zu Verfolgungen führten und zumeist negativ beschieden wurden.

Andreas Osmenda (2. v.l.) mit seinen Brüdern in Bonn

Geschichte einer deutschen Familie aus Oberschlesien

Andreas Osmenda aus der Region Kattowitz stellte für seine Familie zusammen mit sei-nem jüngeren Bruder Thomas (4. v.l.) von 1979 bis 1985 zehn Ausreiseanträge, die abge-lehnt wurden. Der jüngere Bruder lehnte die polnische Staatsangehörigkeit entschieden ab. Auf den neunten abgelehnten Antrag im April 1984 reagierten die Brüder mit einem Hungerstreik und einem an der Straßenfront des Wohnhauses befestigten Transparent.

Infolgedessen wurden sie von der polnischen Miliz verhaftet und 48 Stunden verhört. Das Verhör war von Schlägen und Demütigungen begleitet. Die AGMO/SJ übernahm 1984 die menschenrechtliche Betreuung der Familie Osmenda. Am 17.04.1986 war Andreas Os-menda schließlich erneut von der polnischen Miliz verhaftet worden. Er hatte am 20.03.1986 den „ungeheuerlichen“ Antrag an die Kulturabteilung des Woiwodschaftamtes Kattowitz gerichtet, Deutschunterricht erteilen zu dürfen. Zuvor hatte A. Osmenda bereits erfolglos die Erteilung einer Genehmigung zur Herausgabe einer deutschen Zeitschrift beantragt. Die AGMO/SJ intervenierte bei Bundesaußenminister Genscher mit Bezug-nahme auf die zuvor am Tag der Menschenrechte (10.12.1985) an ihn übermittelte Fall-Dokumentation. Der Fall Osmenda und die Menschenrechte von Deutschen fanden da-mals – anders als heute – großes Echo bei führenden deutschen Tageszeitungen und beim öffentlichen Rundfunk (ARD-Sendung Kontraste vom 13.08.1984). A. Osmenda wurde offiziell vorgeworfen, er habe „illegal mit Flaschen gehandelt“.
Nach zahlreichen Interventionen u.a. bei Bundesaußenminister Genscher, Staatsminister Dr. Mertes, Staatsminister Dr. Stavenhagen, Bundesminister Dr. Schäuble, Dr. Waigel MdB, Ministerpräsident Dr. Franz Josef Strauß im Zusammenwirken mit Bundestagsab-geordneten und AGMO-Mitgliedern erhielt Andreas Osmenda mit seiner Familie am 24.09.1986 schließlich die Ausreisegenehmigung in die Bundesrepublik Deutschland, wie er der AGMO/SJ zwei Tage später postalisch mitteilte. Die Familie reiste schließlich im November 1986 aus. Der jüngere Bruder Thomas mußte nach deren Ausreise zurückblei-ben und war umso stärkeren Verfolgungen ausgeliefert. Von November 1986 bis Juli 1987 mußte er über 20 Hausdurchsuchungen der polnischen Miliz erdulden. Dennoch war der Wille des Bruders, als Deutscher zu leben, ungebrochen. Die Aktivitäten des DFK in Groß Neukirch verstärkten sich sogar. Im Mai 1987 kamen dort aus verschiedenen Regionen mehr als 200 Ostdeutsche zusammen.
Andreas Osmenda, mittlerweile mit seiner Familie in Bonn ansässig, berichtete der AG-MO/SJ über die Vorbereitungen zur Herausgabe der ersten Ausgabe einer Zeitung „Bulle-tin des Deutschen Freundschaftskreises“ in deutscher Sprache.
Thomas Osmenda wurde nach vierjährigem Kampf mit den polnischen Behörden um sei-ne Rechte Ende Juli 1987 die Ausreise aus Schlesien bewilligt, ohne einen polnischen Personalausweis annehmen zu müssen. Er traf nach einem kurzen Aufenthalt in Friedland und Unna-Massen am 19.08.1987 bei seiner Familie in Bonn ein.

Die gemeinnützige Gesellschaft wurde 1980 als Arbeitsgemeinschaft Menschenrechtsverletzungen in Ostdeutschland (AGMO) gegründet.
Die AGMO e.V. wurde im Jahre 1990 in das Vereinsregister eingetragen.