Löcknitz – Vorreiter und Mahnung für die polnische Minderheitenpolitik

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Am 12. August 2010 berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ über Löcknitz, einen „Ort der Einwanderung“. Der westlich von Stettin im von Landflucht betroffenen Mecklenburg-Vorpommern liegende Ort erfuhr in letzter Zeit durch sich ansiedelnde polnische Familien eine Verjüngung. In diesem Zusammenhang verweist der Autor auf die „Europaschule Deutsch-Polnisches Gymnasium Löcknitz“, an der seit 1999 deutsch-polnische Abiturzeugnisse vergeben werden. Es scheint sich um ein erfolgreiches Vorzeigeprojekt zu handeln, das zudem der Völkerverständigung gute Dienste erweist – eine freiwillige Initiative der politisch Verantwortlichen mit europäischem Geist. Freiwillig vor allem, da Polen in der Bundesrepublik Deutschland keinen Minderheitenstatus genießen.

 

Bildung für Minderheiten ist staatliche Verpflichtung

So sehr man jedoch freiwillige Initiativen loben kann, darf man nicht vergessen, daran zu erinnern, daß diese die Erfüllung verpflichtender staatlicher Aufgaben nur ergänzen, nicht jedoch ersetzen können; eine solche Aufgabe wäre die Unterhaltung von deutschen Kindergärten und Schulen für die deutsche Volksgruppe in der und durch die Republik Polen. Dort sind jedoch einige Samstagsschulen (neuerdings: „Samstagskurse“ genannt) und die „Zweisprachige Grundschule Nr. 5 für die Deutsche Minderheit“ in Ratibor-Studen lediglich unzureichende Ausnahmen, die die traurige Regel bestätigen, daß ein nennenswertes Bildungswesen der deutschen Volksgruppe nicht existiert. Hierfür sind nicht zuletzt die mangelnde politische Unterstützung durch die Offiziellen der Bundesrepublik Deutschland (Bundesregierung und Auswärtige Vertretungen sowie deren Mittlerorganisationen), der Landsmannschaften, des BdV und der OMV, historische Unkenntnis und ein gewandeltes veröffentlichtes Deutschlandbild mitverantwortlich. Dabei wird zusehends offensichtlich, daß nicht einmal eine durchgängige bilaterale deutsch-polnische Bildungsstrategie den Deutschen jenseits von Oder und Neiße bei der Verwirklichung ihrer Rechte zur Verfügung steht, von deutschen Kindergärten und Grundschulen ganz zu schweigen. Daß zumindest eine solche zweisprachige Konzeption möglich ist, zeigt das fast 20jährige erfolgreiche Bestehen des Löcknitzer Gymnasiums – anscheinend steht und fällt sie mit dem guten Willen unserer Politiker. Sollten diese sich durchringen und die Initiative ergreifen, wäre es wünschenswert, wenn Einrichtungen wie die deutsch-polnische Europaschule als Vorreiter beratend einbezogen würden.

Im kommenden Jahr sollen die Anstrengungen in Löcknitz verstärkt werden: „Dann soll es auch Austausch- und Sprachprojekte in den Kindertagesstätten auf polnischer und deutscher Seite geben.“ So die FAZ.
Die AGMO e.V. – Gesellschaft zur Unterstützung der Deutschen in Schlesien, Ostbrandenburg, Pommern, Ost- und Westpreußen muß die für die derzeitige Politik ganz offensichtlich unbequemen Fragen stellen: Wann werden die Vertreter der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen derlei Initiativen von der polnischen Regierung und auch von der Bundesregierung im Wege der Wahrnehmung ihrer Obhus- und Schutzpflichten deutlich fordern, und wann wird das Recht auf Unterricht in der Muttersprache in den Kindergärten ebenso wie in den Grundschulen verwirklicht? Und: Wird die bundesdeutsche Politik sich ebenso einbringen, wie sie es in Löcknitz offensichtlich zeigt? Wird sich auch die polnische Politik entgegenkommend zeigen und deutsche Kindergärten und Grundschulen wohlwollend fördern und damit die eigenen gesetzlichen Voraussetzungen mit Leben erfüllen?