Ein Antrag, eine Anfrage und eine Rede

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– die Rolle der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen für die bundesdeutsche Politik –

In den ersten Tagen des Monats November 2010 waren hierzulande auf Länder- und Bundesebene einige interessante Entwicklungen in der hiesigen Politik gegenüber der Republik Polen zu beobachten. Die Anlässe bieten zwar wenig bisher Unbekanntes, doch erhellen sie einmal mehr die Art des Denkens und des Umgangs der bundesdeutschen Politik mit unseren Landsleuten in der Republik Polen.

Polen-Nordrhein-Westfalen-Jahr 2011

Mit Datum vom 2. November 2010 wandte sich die CDU-Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen mit einem Antrag (Drucksache 15/469) an die Landesregierung, um darauf zu drängen, das Polen-NRW-Jahr 2011/2012 vor allem intensiv dafür zu nutzen die tatsächliche Zusammenarbeit zwischen dem einwohnerstärksten Bundesland und der Republik Polen auszubauen.

Landtag NRW

In einem zweiten Fall, einer „Kleinen Anfrage“ vom 10.11.2010 (Drucksache 15/545) aus den Reihen der CDU-Landtagsfraktion, erkundigte man sich bei der neugewählten Landesregierung unter Führung von Hannelore Kraft danach, wie es in der kommenden Legislaturperiode mit der Förderung der sog. „Vertriebenenkultur“ gehalten würde. Der Autor der Anfrage bezieht sich dabei vor allem auf die finanziellen Aspekte der Unterstützung von BdV, Landsmannschaften und ostdeutschen Heimatstuben und Landesmuseen, wie dem westpreußischen Landesmuseum in Münster.

An beiden Drucksachen fällt auf, daß gleich zu Beginn im jeweils ersten Absatz die historische Aufarbeitung entsprechend einer Pflichtübung erledigt wird. Aus der Beschreibung historischer Schuld und der dadurch entstehenden „Verpflichtung“ sowie „besonderen Verantwortung“ für den Frieden wird sodann ein europäischer Kontext und geschichtspolitischer Rahmen hergestellt, innerhalb dessen sich jegliche Artikulation vertriebenen- und volksgruppenpolitischer Art freiwillig oder erzwungenermaßen zu bewegen hat.

Gleichsetzung von deutschen Heimatvertriebenen mit polnischen Einwanderern

Die verantwortlichen Autoren des CDU-Antragstextes versteigen sich gar zu der Aussage, daß „in der unmittelbaren Nachkriegszeit“ durch die Aufnahme „zahlreicher Heimatvertriebener und Flüchtlinge“ erste „enge Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und Polen geknüpft worden“ seien. Nicht nur die Nennung der freiwillig und aus beruflichen Gründen erfolgten Abwanderung „polnischer“ Familien aus Posen im 19. Jahrhundert in einem Atemzug mit dem 50 Jahre später stattgefundenen völkerrechtswidrigen Raub von Heimat, Hab und Gut schockiert. Viel schwerer wiegt, wie im Grunde die Vertreibung von Millionen Deutschen aus Ostdeutschland und der dabei eingetretene gewaltsame Tod von etwa einer Million deutscher Zivilisten aus den östlichen Provinzen Deutschlands fast schon als ein Akt der Völkerverständigung dargestellt, zumindest jedoch als ein Ereignis bezeichnet wird, dem man heutige (Völker-)Freundschaft und Verständigung zu verdanken habe. Wenn gemäß des Leitspruchs zum Tag der Heimat 2010 „Durch Wahrheit zum Miteinander“ zu finden ist, wurde der Wahrheitssuche dadurch ein Bärendienst erwiesen.

AGMO e.V. fordert Einbeziehung der Deutschen in der Heimat

Bei der Lektüre der beiden Landtagsdrucksachen kommt der Eindruck auf, daß die deutsche Volksgruppe in der Republik Polen - insbesondere in der NRW-Partnerregion Woiwodschaft Schlesien – mithin die Landsleute und Verwandten der in den Drucksachen erwähnten Vertriebenen und Aussiedler hier nicht einbezogen werden soll. Wohingegen die AGMO e.V. dies seit Jahren fordert und seit Jahrzehnten auch durch konkrete Arbeit vormacht. Von einer Erwähnung der „Deutschen in Polen“, die unter dem Aspekt des Dialogs in kulturelle Veranstaltungen eingebunden werden sollen, kann nicht zwingend auf die deutsche Volksgruppe geschlossen werden. Spätestens 2005 hat die Republik Polen mit der Verabschiedung des polnischen Minderheitengesetzes die deutsche Volksgruppe offiziell anerkannt und zumindest formell mit den entsprechenden Rechten ausgestattet.

Die erwähnte „kleine Anfrage“ steht zwar nicht in demselben Widerspruch zum Motto des letztjährigen Tags der Heimat, doch liest sich der Inhalt, wie bei einer Anfrage zur sog. „Integrationspolitik“. Es wäre zu wünschen gewesen, an dieser Stelle zum einen Vertriebene und Aussiedler nicht mit auswärtigen Zuwanderern zu vergleichen und die in der Heimat verbliebenen Deutschen nicht zu vergessen, die bis heute fortdauernd Opfer der Vertreibung eines Großteils der Deutschen aus Ostdeutschland sind. Bernard Gaida, Präsident des Dachverbandes der Deutschen in der Republik Polen (VdG) fasste dies treffend mit den folgenden Worten zusammen: „Die Polen, die vor 100 Jahren ins Ruhrgebiet einwanderten, sind über die Grenze gegangen. Über die Deutschen in Oberschlesien jedoch ist die Grenze hinweg gegangen.“

Es wäre wünschenswert wenn die NRW Landespolitiker u.a. die jüngste Rede ihres Parteifreundes des Staatssekretärs Hartmut Koschyk MdB vom 13. November 2010 zu rate zögen. Die darin vor dem 2. Kongreß der Union der Vertriebenen (UdV) der bayrischen CSU angestellten Überlegungen sind streckenweise zu wenig den tatsächlichen Hintergründen der Situation gewidmet. Die Betrachtung verharrt über weite Strecken an der wahrnehmbaren Oberfläche.
Das von der Lage der deutschen Volksgruppe östlich von Oder und Neiße gezeichnete allzu rosige Bild schmälert jedoch nicht das Verdienst Koschyks neben der korrekten Terminologie, vielfältige statistische Nachweise und Zahlenmaterial zu präsentieren, das manch einem Schwester-Parteifreund aus Nordrhein-Westfalen in vielfacher Hinsicht behilflich sein könnte, wenn er sich denn für die in der Heimat lebenden Deutschen einzusetzen bereit wäre.

 

 

 

 

 

 

Die gemeinnützige Gesellschaft wurde 1980 als Arbeitsgemeinschaft Menschenrechtsverletzungen in Ostdeutschland (AGMO) gegründet.
Die AGMO e.V. wurde im Jahre 1990 in das Vereinsregister eingetragen.