Zeitung „Oberschlesische Stimme“ im Gespräch mit Tobias Körfer

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Das nachfolgende Interview der Chefredakteurin Monika Masarczyk mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der AGMO e.V., Tobias Körfer, erschien in der Ausgabe 3 vom 11. – 24.02.2011 der in Ratibor erscheinenden „Oberschlesischen Stimme“:

Wie heißen Sie?


Mein Name ist Tobias Norbert Körfer, ich bin 31 Jahre alt und von Haus aus Historiker. Zurzeit promoviere ich über ein Thema zur oberschlesischen Kirchengeschichte im 19. Jahrhundert.

Welche Rolle spielt die AGMO e.V. in Ihrem Leben?

Die als gemeinnützig anerkannte AGMO e.V. – Gesellschaft zur Unterstützung der Deutschen in Schlesien, Ostbrandenburg, Pommern, Ost- und Westpreußen spielt eine ganz wesentliche Rolle in meinem Leben und dies aus mehrfachen Gründen. Zum einen identifiziere ich mich mit den Zielen der AGMO e.V., wie zum Beispiel die Forderung an die Politik zu erheben, das Fortbestehen der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen v.a. durch die flächendeckende Einrichtung deutscher Kindergärten und Grundschulen zu sichern. Den Einsatz für Gewährung des grundlegenden (Menschen-)Rechts in der eigenen Muttersprache aufwachsen zu können, halte ich für zutiefst menschlich und christlich geboten. In der AGMO e.V. habe ich eine Möglichkeit gefunden, mich für die Heimat meiner Vorfahren, jedoch mit aktuellem, ganz konkretem Bezug zu engagieren.

Seit wann existiert die Gesellschaft und was waren ihre Anfänge?

Die AGMO e.V. wurde Anfang der 1980er Jahre unter der Federführung von Dipl.-Ing. Peter Oprzondek in Zusammenarbeit mit Hartmut Koschyk, heute Bundestagsabgeordneter und Staatssekretär, als Arbeitsgemeinschaft in der Schlesischen Jugend gegründet. Infolge der repressiven antideutschen Politik der Volksrepublik Polen stand der Menschenrechtsaspekt – unter anderem freie Entfaltung der deutschen Kultur und der Persönlichkeit, Schutz vor staatlicher Willkür – in den 1980er Jahren im Mittelpunkt der Arbeit. Es war damals nicht ungefährlich, Kontakte mit den Deutschen östlich von Oder und Neiße herzustellen und zu unterhalten.
Dass dies möglich war und infolgedessen Informationen über die ostdeutschen Landsleute in der Heimat in die Bundesrepublik Deutschland gelangten, ist das entscheidende Verdienst der AGMO e.V. 1990 erfolgten dann die organisatorische Trennung von der Schlesischen Jugend und die Eintragung als „e.V.“ in das Vereinsregister.

Wie sieht Ihre Arbeit bei der AGMO e.V. aus?

Als stellvertretender Vorsitzender ist man in vielen Bereichen einsetzbar. Ein Hauptteil der Arbeit liegt auf der Mitglieder- und Spenderbetreuung. Zudem pflege ich für unseren Vorstand den direkten Kontakt vor Ort zu DFK-Ortsgruppen, zu aktiven Einzelpersonen und halte Vorträge im Rahmen landsmannschaftlicher Veranstaltungen zu Forderungen der AGMO e.V.  

T.Körfer zu besuch beim DFK Plawniowitz

Wie erfuhren Sie von der Institution?

Durch eine Dissertationsschrift von Holger Breit („Die Deutschen in Schlesien 1163 - 1999“, München 1999), welche ich in meiner Magisterarbeit verwendet habe. Holger Breit hat darin die Geschichte der Gründung der deutschen Vereinigungen und die Rolle der AGMO e.V. gründlich aufgearbeitet. Dadurch konnte ich einen ersten, positiven Eindruck gewinnen. Ich habe mich dann telefonisch in der Geschäftsstelle gemeldet, und mir wurde sofort sehr freundlich bei meinen Fragen weitergeholfen.

Was macht die AGMO e.V.?


Die AGMO e.V. fördert die Entwicklung der deutschen Muttersprache seit drei Jahrzehnten. Im Rahmen verschiedener Projekte wurden unter anderem mehrere Kindergärten mit Kinder-Spiel- und Lernecken ausgestattet sowie didaktische Materialien für den Deutschunterricht geliefert. So wurde die erste bilinguale Grundschulklasse im Bezirk Schlesien in Tworkau gefördert. In einer anderen DFK-Ortsgruppe wurde ein Klassenzimmer für Deutschunterricht renoviert, mit Unterrichtsmobiliar ausgestattet und der Grundschule feierlich übergeben. Die regelmäßig in Kindergärten und Grundschulen durchgeführten Deutschwettbewerbe werden ebenso mit Sachpreisen und finanziellen Mitteln durch die AGMO e.V. gefördert wie musikalische Aktivitäten.

Zudem ist ein weiterer Pfeiler unserer Arbeit die Interessenvertretung und Aufklärung unserer Landsleute östliche von Oder und Neiße über ihre Rechte als anerkannte Volksgruppe. Dazu ist auch die im August 2007 von der AGMO e.V. veröffentlichte Studie zum muttersprachlichen Deutschunterricht an Kindergärten und Grundschulen in der Republik Polen zu zählen.
Diese Studie, deren Ergebnisse immer noch aktuell sind, daß es in der gesamten Republik Polen keinen deutschen Kindergarten und keine deutsche Grundschule für die Kinder der deutschen Volksgruppe gibt, wurde an zahlreiche Abgeordnete des Europaparlaments und Entscheidungsträger der bundesdeutschen Politik, Presseorgane sowie Vorstände der deutschen Vereinigungen in der Republik Polen und Einzelpersonen versandt.

Welche Ziele hat die AGMO e.V.?

Unmittelbares Ziel der Arbeit der AGMO e.V. ist es Hilfe zur Selbsthilfe für die Organisationen der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen zu leisten. Dazu zählt für uns besonders die Förderung einzelner Projekte in den kleinsten Zellen deutscher Kultur, den DFK-Ortsgruppen vor allem in Oberschlesien. Die Zusammenarbeit mit diesen Ortsgruppen, die vielfachen Problemen aus Richtungen ausgesetzt sind, wo man es zunächst nicht vermuten würde, ist die Basis unserer Arbeit. Wir wollen zu einer wirklichen „Konsolidierung der DFK-Begegnungsstätten“ beitragen. Wir verfolgen keine hochtrabenden Ziele. Aber wir sehen genauso die flächendeckende Einrichtung deutscher Kindergärten und Grundschulen als unbedingte Notwendigkeit für das Fortbestehen der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen an. Unter „deutschen“ Kindergärten und Grundschulen verstehen wir solche, die sich in Trägerschaft der Volksgruppe befinden.

Welche Projekte werden jetzt realisiert?

Grundsätzlich unterstützen wir Projekte von DFK-Ortsgruppen zur Förderung der deutschen Muttersprache bei Kindern im Vor- und Grundschulalter. Bedauerlicherweise müssen wir aber feststellen, dass die Anzahl der Anträge aus den DFK-Ortsgruppen seit einiger Zeit kontinuierlich zurückgeht und die Qualität der Anträge insgesamt stark nachgelassen hat. Dies schreiben wir vor allem der mangelhaften Bindung an die deutsche Muttersprache zu, da hierdurch auch – so unsere Erkenntnis - die Arbeitsweise von Menschen entscheidend geprägt wird.

Daneben haben wir auch zuletzt Medien gefördert, die vor Ort in deutscher Sprache arbeiten und publizieren. Zudem wurden in der Region mit unserer finanziellen Unterstützung bisher etliche Friedensdenkmäler für Gefallene und Kriegstote renoviert bzw. errichtet.

Welche Bedingungen muss ein Antrag erfüllen, um von der AGMO e.V. unterstützt zu werden?
Grundsätzlich sollten von einer Projektförderung Kinder der deutschen Volksgruppe im Alter von drei bis zehn Jahren profitieren. Das geförderte Projekt muss die Förderung der deutschen Muttersprache in den Mittelpunkt stellen. Des weiteren ist ein zweiseitiges Antragsformular korrekt auszufüllen. Anleitungen dazu legen wir jedem Antragsformular bei.

Wie finanziert sich die Gesellschaft?

Wir finanzieren uns seit jeher ausschließlich durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und Vermächtnisse heimattreuer Vertriebener und Nichtvertriebener, die solidarisch mit ihren Landsleuten östlich von oder und Neiße handeln.

Welche Pläne haben Sie für das Jahr 2011?

Auf mich persönlich bezogen, ganz klar: der Abschluss meiner Doktorarbeit.

Was die AGMO e.V. anbetrifft, wollen wir uns auf der Ebene der konkreten Arbeit weiterhin der Unterstützung von Projekten in den für das Fortbestehen der Volksgruppe elementar wichtigen Ortsgruppen des DFK widmen und die politischen Entscheidungsträger in der Bundesrepublik Deutschland sowie die Führungsebene der deutschen Volksgruppe zu mehr Aktivität für die Einführung deutscher Kindergärten und Grundschulen bewegen.

Aus den letzten Schreiben des für nationale Minderheiten zuständigen bundesdeutschen Staatssekretärs Dr. Bergner MdB geht hervor, daß in Berlin die Lage so wahrgenommen wird, daß die von der Lage Betroffenen sich nicht ausreichend wahrnehmbar zu Wort melden: „Bei meinen Gesprächen mit Vertretern des Verbandes (VdG, eig. Anm.) habe ich erfahren, dass hier die Akzeptanz sowohl unter der deutschen wie auch unter der polnischen Bevölkerung unzureichend ist.“

(Anmerkung: Die Fragen und Antworten werden nach Abdruck in der „Oberschlesischen Stimme“ Nr. 3/2011 vom 11. bis 24.02.2011 ebenso auf www.agmo.de und in AGMO-Intern Nr. 2/2011 veröffentlicht. Die AGMO e.V. dankt der Oberschlesischen Stimme für die Befragung.)