Solidarität für Deutsche in Nordschleswig

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Die Satzung der AGMO e.V. – Gesellschaft der Deutschen in Schlesien, Ostbrandenburg, Pommern, Ost- und Westpreußen zielt ab auf die Förderung des Völkerverständigungsgedankens durch Unterstützung von Deutschen in Schlesien, Ostbrandenburg, Pommern, Ost- und Westpreußen sowie Durchführung von gemeinnützigen Projekten in Begegnungsstätten, Kulturhäusern und Heimatstuben (Ausstellungen, Diskussions- und Informationsveranstaltungen), durch die Schaffung Identität stiftender Denkmäler, die dem Erinnern und der Verständigung dienen, und durch Informationsarbeit mittels einer periodisch erscheinenden Publikation. Der Verein unterstützt die deutsche Volksgruppe in ihrem Streben nach Erhaltung der deutschen Sprache durch schulische Unterweisung in der Muttersprache und nach Verwirklichung der eigenen kulturellen und religiösen Identität. Der Verein kann laut Satzung auch in den anderen Siedlungsgebieten der Deutschen in Ostmittel-, Südost- und Osteuropa tätig werden. Zwar werden die Deutschen in anderen Gegenden Europas wie Nordschleswig, Elsaß, Lothringen, Eupen-Malmedy und Sudetenland in der Satzung nicht aufgeführt, was auch mit der Entstehungsgeschichte der AGMO e.V. (als Arbeitsgemeinschaft in der Schlesischen Jugend) zusammenhängt. Dennoch ist es selbstverständlich, einen Blick auf die anderen deutschen Volksgruppen und insbesondere deren muttersprachliche sowie Bildungssituation zu werfen und Solidarität zu üben.

Die Deutschen selbst tauschen sich untereinander aus. Für die Deutschen in Schlesien sind insbesondere die Deutsche Sprachgemeinschaft in Belgien (die weitgehende Selbstverwaltungsrechte genießt und neben Flamen und Wallonen dritte Kraft im derzeit stark zerrütteten belgischen Staatsgebilde ist) sowie die Deutschen in Nordschleswig Vorbilder hinsichtlich der für Volksgruppen und Minderheiten selbstverständlichen eigenen Kindergärten und Grundschulen. Doch gerade diese Vorbilder sind stark von finanziellen Förderungen abhängig und haben selbst zu kämpfen wie das aktuelle Beispiel Nordschleswig aufzeigt.
Ausgerechnet die nicht mit der Bundesrepublik Deutschland verbundene Region Südtirol in Italien hat ihre sprachliche und kulturell-regionale Identität weitestgehend bewahren können.

 

Mittelkürzungen bei Deutschen in Nordschleswig / Dänemark

Die Husumer Nachrichten berichteten Ende Januar 2011 unter dem Titel „Streichkonzert der deutschen Minderheit“ über erzwungene Einsparungen bei den Deutschen von der Wiedau bis zur Königsau. Infolge von Mittelkürzungen der Bundesrepublik in Höhe von 1 Million Euro mußte der Bund Deutscher Nordschleswiger Einsparungen vornehmen, von der hauptsächlich die deutschsprachige Tageszeitung „Der Nordschleswiger“ betroffen ist. Ein Fünftel der Summe sei dadurch ausgeglichen worden, „daß der dänische Staat die Förderung der deutschen Minderheitenschulen mit denen der dänischen Regelschulen zum Jahresbeginn gleichgestellt“ habe. So wie es in Südschleswig dänische Schulen gibt, unterhalten die Deutschen in Nordschleswig eigene deutsche Kindergärten und Schulen, nachdem Nordschleswig mit seinen Städten Apenrade, Hadersleben, Hoyer, Sonderburg und Tondern nach Volksabstimmung 1920 vom Deutschen Reich abgetrennt worden war und an Dänemark fiel. Die deutsch-dänische Nachbarschaft ist heute im Gegensatz zur deutsch-polnischen weitestgehend harmonisch und unproblematisch. Informationen zur deutschen Volksgruppe in Dänemark finden Sie unter: www.nordschleswig.dk

Die Föderalistische Union Europäischer Volkgruppen (FUEV) veröffentlichte am 15. November 2010 folgende Pressemitteilung zur Bedrohung der Arbeit der deutschen Nordschleswiger durch Mittelkürzungen in Berlin:

Deutschland lässt  Minderheiten im Stich - Deutsch-dänisches Grenzlandmodell in Gefahr

Nach vielen Jahren vorbildhafter Minderheitenpolitik im deutsch-dänischen Grenzland ist nun durch die fehlende Finanzierung der deutschen Minderheit in Nordschleswig durch die Bundesrepublik Deutschland eine tickende Bombe unter das deutsch-dänische Grenzlandmodell gelegt worden. Die deutschen Nordschleswiger müssen feststellen, dass ihr Mutterland sie im Stich lässt mit im Moment noch unübersehbaren Folgen für ihre Zukunft als deutsche Minderheit in Dänemark. So der Präsident der FUEV, Hans Heinrich Hansen in einer Stellungnahme zu den Haushaltsentscheidungen der deutschen und der dänischen Minderheit durch die Bundesrepublik Deutschland.
Das schnelle Auffinden von 3,5 Mio € für die dänischen Schulen in Schleswig-Holstein zeigt, dass es möglich ist, Mittel zu finden, wenn nur der politische Wille vorhanden ist. Die FUEV als Dachverband von 82 Minderheitenorganisationen in Europa begrüßt die Förderung der dänischen Minderheit, kritisiert aber gleichzeitig, dass damit das bestehende Ungleichgewicht zwischen deutscher und dänischer Minderheitenförderung vergrößert wird. Hans Heinrich Hansen, Präsident der FUEV, stellt klar: „Damit keine Missverständnisse entstehen: Wir sind im Grenzland Freunde – wir gönnen der dänischen Minderheit das Geld nicht nur, sondern es steht ihr zu. Natürlich müssen die Schülerinnen und Schüler der dänischen Minderheit 100 % Zuschüsse erhalten. Das ist das Prinzip der gleichwertigen Behandlung von Bürgerinnen und Bürgern, und man kann ein Prinzip nicht in Prozent aufteilen. Dann würde man eben nicht mehr gleich behandeln.
Minderheitenpolitik sollte immer mit dem nötigen Fingerspitzengefühl gemacht werden, um Missverständnisse und Demütigungen zu vermeiden. Genau das ist hier nicht passiert. Man hat offensichtlich nicht die Argumente der Minderheiten berücksichtigt, sondern – auf außenpolitischen Druck von dänischer Seite hin – ad hoc eine Entscheidung getroffen, die tiefere Einsicht in und Verständnis für Minderheitenverhältnisse vermissen lässt. Die Entscheidung hinterlässt umso mehr einen bitteren Nachgeschmack, weil die deutschen Nordschleswiger jahrzehntelang mit Verständnis auf die ständigen Überrollungen der deutschen  Regierungen reagiert haben, fühlten sie sich doch sicher und geborgen in der Annahme, dass die deutsche Minderheit auch ihrem Mutterland, der  Bundesrepublik Deutschland, ein wichtiger Partner war. Ich sage dies als langjähriger ehemaliger Vorsitzender der deutschen Minderheit.“
Die Bundesrepublik Deutschland könne sich nach Ansicht der FUEV an Dänemark ein Beispiel nehmen, wie man mit Minderheiten respektvoll umgeht. Sowohl die Lösung der Kommunalreform im Jahr 2005 als auch die jetzt beschlossene 100prozentige Finanzierung der deutschen Schulen in Dänemark bezeugen das. Hier ist Gleichwertigkeit als Prinzip fraglos angewandt. Der dänische Staatsminister Lars Løkke Rasmussen erklärte die Frage der Gleichbehandlung der dänischen Minderheit zur Chefsache. Das zeigt, wie viel Respekt und Ansehen die dänische Minderheit bei der dänischen Regierung genießt.  Es geht dem dänischen Staat um nichts weniger als Gerechtigkeit, dem höchsten Ziel der Rechtsprechung. Und das gilt in den Augen der dänischen Regierung für die dänische und für die deutsche Minderheit gleichermaßen, wie die grundanständige Lösung der Gleichstellung der deutschen Minderheitenschulen beweist. „In Dänemark handelt man statt sich in Sonntagsreden zu ergehen. Hier schafft man Fakten, die Empathie, Vertrauen und Glaubwürdigkeit besitzen“, so Hans Heinrich Hansen.
Wie anders reagiert die Bundesrepublik Deutschland! Es ist generell für alle Minderheiten in Europa vielleicht das größte emotionale Problem, wenn es von den Menschen und der Nation, der man zuneigt, nicht ernst und wahr genommen wird. Eine tiefe Enttäuschung macht sich breit bei denjenigen, die für ihre Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe viel bezahlt haben in ihrem ganz persönlichen Schicksal.
Die Bundesrepublik Deutschland, insbesondere Schleswig-Holstein, hat sich jahrelang des Vorbildcharakters des deutsch-dänischen Grenzlandes für Minderheitenfragen rühmen können. Diese Position können wir heute guten Gewissens nicht mehr verteidigen.
Die FUEV appelliert daher an die Bundesrepublik und an das Land Schleswig-Holstein, die Minderheiten finanziell so zu fördern, dass sie gleichberechtigt existieren können. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit fußt auf Gleichbehandlung. Diese ist nicht mehr gewährleistet. Die FUEV fordert die Bundesrepublik Deutschland und das Land Schleswig-Holstein auf, die Grundzüge der Gleichbehandlung in der Minderheitenpolitik einzuhalten, gleiches Recht für alle gelten zu lassen und ihrer Fürsorgepflicht denjenigen gegenüber nachzukommen, die sich in ihren Heimatländern als Botschafter ihres Mutterlandes verstehen. Nur so lässt sich auf Augenhöhe miteinander leben.