Wie eine weitere Vertreibung aus der eigenen kulturellen Identität

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Ein volles Haus erwartete den Vorsitzenden der AGMO e.V., Tobias Körfer, als er in der Ostdeutschen Heimatstube in Rheydt, die vom BdV-Kreisverband Mönchengladbach betreut wird, am 27.08.2011 nachmittags eintraf. Im Veranstaltungssaal hatte sich eine große Anzahl von Zuhörern versammelt.

Der Tag der Heimat 2011 steht unter dem Motto: „Wahrheit und Dialog – Schlüssel zur Verständigung“

v.l.n.r.: Wilhelm Mahn (BdV-Vorsitzender M’gladbach), Herr Königs (Senioren-SPD),
Tobias Körfer (Vors. AGMO e.V.), Arno Barth (Vors. OMV M’gladbach, Landesvorstand BdV NRW)

Die einleitenden Worte des BdV-Kreisvorsitzenden Wilhelm Mahn sprachen den Anwesenden aus dem Herzen. Wie eine zweite Vertreibung komme es den Vertriebenen vor, wenn man sich vergegenwärtige, daß Flucht und Vertreibung der Deutschen aus ihrer Heimat in Ostmittel- und Osteuropa nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges etwa im Schulunterricht trotz jahrelanger Bemühungen immer noch nicht ausreichend gewürdigt würden. Wenig ermutigend nannte Mahn es auch, wenn trotz rechtzeitig ergangener Einladungen kaum ein politischer Akteur aus Mönchengladbach sich blicken ließe. Dankenswerterweise waren aber dennoch Herr Königs von der Senioren-SPD und Arno Barth als Vorsitzender der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung (OMV) der CDU in Mönchengladbach anwesend.

In ihren Grußworten betonten beide die große Bedeutung einer lebendigen Erinnerungskultur und die Wichtigkeit mit den Polen als Nachbarn in Europa einen auf Wahrheit aufbauenden Dialog zu führen. Dankbarer Beifall des Publikums begleitete ihre Ausführungen.

Fortschritt und Stillstand – Beides gehört zur deutsch-polnischen Wahrheit

Tobias Körfer spannte diesen Bogen weiter aus und richtete in seinem Festvortrag das Augenmerk der Zuhörer auf die in der Heimat verbliebenen deutschen Landsleute. Er konnte sich dabei auf den Bundesinnenminister Dr. Friedrich berufen, der in seinem Grußwort zum Schlesiertreffen 2011 in Hannover die herausragende Rolle betonte, welche dem „lebendigen Dialog“ mit den Deutschen in der Heimat als Teil einer lebendigen Erinnerungskultur zukommen müsse. Durch seine Ansprache nahm Körfer die Menschen im Saal mit auf eine Reise nach Breslau. Er schilderte anhand der Zusammenarbeit der Breslauer Sammlung mit den Historischen Museen der Stadt und der dortigen Universität, welche positiven Signale des Dialogs es durchaus geben würde.

Nach dem Ermutigenden aus der Odermetropole ging es gedanklich nach Oberschlesien, um zu zeigen, daß die dortige Lage der deutschen Volksgruppe auch ein Teil derjenigen Wahrheit ist, ohne die kein Dialog und folglich keine Verständigung möglich sein wird. Obgleich es schätzungsweise 40.000 deutsche Kinder im schulpflichtigen Alter in den beiden oberschlesischen Bezirken Oppeln und Kattowitz geben würde, fehle es immer noch vollständig an deutschen Kindergärten und Grundschulen. Derlei würde jedoch weder von der gewählten Vertretung der deutschen Volksgruppe noch von der deutschen Bundesregierung derzeit angestrebt. Der politische Unwillen, derartige Forderungen unmißverständlich zu erheben, sei umso frappierender, da seit nunmehr über 20 Jahren durch den deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag von 1991 der Weg dazu grundsätzlich geebnet worden sei.

Zweisprachigkeit im Bildungswesen – Weder Königsweg, noch Patentlösung

Die zur Zeit wider aller wissenschaftlichen und amtlichen Erkenntnisse durch die Führung der deutschen Volksgruppe und die Regierungsseite aus Berlin propagierte sog. „Zweisprachigkeit“ in der schulischen Ausbildung kann die dringend notwendige „Identitätsstiftung durch Sprachbindung“ – wie sie selber vom zuständigen Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Dr. Bergner MdB, gewünscht wird – keinesfalls gewährleisten. Dobieslaw Rzemieniewski, Leiter der Abteilung für nationale Minderheiten im polnischen Innenministerium, nannte „Zweisprachigkeit“ im Bildungswesen zu diesem Zwecke ineffizient.

Ohne deutsche Kindergärten und Grundschulen keine deutsche Volksgruppe

Ohne deutsche Kindergärten und Grundschulen, in Trägerschaft der Organisationen der Deutschen in der Republik Polen, so Körfer, sei daher der Bestand der deutschen Volksgruppe mittel- und langfristig nicht mehr zu gewährleisten. Womit dann auch dem von Bundesinnenminister Dr. Friedrich gewünschten lebendigen Dialog der wichtigste Teil, nämlich die Deutschen in der Heimat fehlen würde.

Zum Schluß seiner Worte rief Tobias Körfer die Anwesenden dazu auf, trotz aller Bedrängnisse, der ihre Arbeit für die Heimat östlich von Oder und Neiße hier im Westen ausgesetzt sei, nicht die eigenen Landsleute zu vergessen, die in Schlesien, Pommern, Ost- und Westpreußen lebten, sondern diese Menschen tatkräftig zu unterstützen. Eine lebendige deutsche Volksgruppe in der Republik Polen sei der beste Beweis für die auch heute noch über jeden Zweifel erhabene Sinnhaftigkeit der Vertriebenenarbeit der Landsmannschaften und des BdV unter dem Aspekt der „lebendigen Erinnerungskultur“ in Westdeutschland.

Würde die deutsche Volksgruppe in der Republik Polen hingegen mit der Sprache auch ihre Identität verlieren, so sei auch dies nicht nur eine zweite, sondern eine weitere dritte Vertreibung – diesmal nicht physisch aus der angestammten Heimat, sondern geistig aus der eigenen Identität.