„Der neue Schlesier“ – Alter Wein in neuen Schläuchen

Drucken

Zu dem Artikel „Der neue Schlesier“ von Konrad Schuller vom 22.05.2011 sei folgendes angemerkt: Es ist erfreulich, dass sich die FAZ mit einer oberschlesischen Thematik und mit der Autonomistenbewegung befasst. Jedoch kann eine Darstellung dem Leser nur dann ein abgerundetes Bild der Lage bieten, wenn auch die kritischen Gesichtspunkte der schlesischen Autonomiebewegung (RAS), eingehender als dies vorliegend der Fall war, beleuchtet werden.

FAZ-Artikel vom 22.05.2011, "Der neue Schlesier" von Konrad Schuller:
http://www.faz.net/artikel/C31325/kattowitz-der-neue-schlesier-30337749.html

Das Thema der Volkszählung 2011 in der Republik Polen wird zwar berührt, doch bleiben die Gefahren für die Minderheitenrechte der Deutschen gänzlich außen vor. Für die deutsche Volksgruppe stellt das Ereignis des Zensus hingegen einen Prüfstein besonderer Art dar. Sie muss sich nach jahrzehntelanger Unterdrückung deutlich bekennen. Sollte sie das nicht tun, wäre ihr das nicht mal zu verübeln. Prominente bekennende Mitglieder sind rar gesät, und die Bundesregierung nimmt ihre Schutz- und Obhutspflicht nur sehr diskret wahr. Zudem lassen sich junge Menschen deutscher Abstammung leicht vereinnahmen, da sie über ihre familiäre Herkunft  hinaus nie die Möglichkeit hatten, durch die Muttersprache eine enge Bindung an die deutsche Kultur zu entwickeln. Auch deshalb, weil die vormalige Führung der Deutschen in der Republik Polen die Problematik der fehlenden deutschen Kindergärten und Grundschulen entgegen der Warnungen insbesondere der AGMO e.V. aus Bonn mindestens ignorierte und die heutigen gewählten Vertreter nicht die entscheidenden Schritte dahingehend zu unternehmen wagen. Der Humus fehlender Verwurzelung in der eigenen Kultur ist der Nährboden für Parolen der RAS.

Sollte die Zahl der offiziell erfassten Deutschen stark absinken, droht ein Dammbruch. Substanziell, wie auch finanziell (die staatliche polnische Unterstützung betreffend) wäre aufgrund der ermittelten Zahlen mit drastischen Einschnitten zu rechnen: Der Erfordernis, daß 20 Prozent der Einwohner einer Gemeinde einer nationalen Minderheit angehören müssen, damit dort zweisprachige Ortsschilder und z.B. Deutsch als amtliche Hilfssprache eingeführt werden können, dürften etliche Kommunen in Oberschlesien, in denen 2002 diese Hürde noch genommen wurde, nun nicht mehr entsprechen.

Die RAS bricht massiv in die mit ihrer Selbstfindung beschäftigten Reihen der Deutschen Oberschlesiens ein und stellt daher für diese Bevölkerungsgruppe eine Bedrohung dar. Sie ist „jung und frisch“ und bringt interessante Aktionen zustande. Ob eine von ihr geforderte politische Autonomie für die deutsche Volksgruppe Vorteile bringen könnte, hängt von den Modi ihrer konkreten gesetzlichen Gestaltung ab – schon jetzt ist jedoch ersichtlich, dass die von ihr konstruierte schlesische (nationale) Identität, die in sich inkonsistent ist, die Gruppe der Deutschen spaltet und effektiv politisch zu marginalisieren droht. Dabei ist zu beachten, dass ihre Ziele ambitioniert, aus innerpolnischen, rechtlichen Gründen jedoch illusorisch sind, was in „Der neue Schlesier“ zumindest anklingt. In der Bilanz würde somit mehr verloren als gewonnen. Das wäre dann wiederum ganz im Sinne der nationalistischen Ansinnen des Jaroslaw Kaczynski. Womit „Der neue Schlesier“ sich vielmehr als alter Wein in neuen Schläuchen entpuppt, und weniger als die Bekundung eines frischen schlesischen Selbstbewusstseins.

Dr. Gorzeliks Rede von einem „kulturell vielfältigen“ Schlesien, welches mit Hilfe einer Autonomie besser regiert werden könne, verfehlt ihr Ziel, so sie denn überhaupt ernst gemeint sein sollte, wenn die RAS und ihr Vorsitzender durch ihre Politik den deutschen Beitrag zum kulturellen Reichtum der Region erodieren lassen. Leider wird dies hierzulande, und so auch im Falle des Artikels von Herrn Schuller kaum erkannt.  

Die gemeinnützige Gesellschaft wurde 1980 als Arbeitsgemeinschaft Menschenrechtsverletzungen in Ostdeutschland (AGMO) gegründet.
Die AGMO e.V. wurde im Jahre 1990 in das Vereinsregister eingetragen.