Deutsche Volksgruppe zu Gesprächen in Berlin

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Von der AGMO e.V. veranlaßte Übersetzung einer Pressemitteilung der SKGD Oppeln aus dem Polnischen vom 26.05.2011:

Oppeln, den 26.05.2011

Die Deutsche Minderheit dementierte in Berlin falsche Medienberichte über die Höhe der Unterstützung seitens der polnischen Regierung und erklärte, warum derselbe Personenkreis in Polen der Deutschen Minderheit und in Deutschland der Polonia zugerechnet wird.

Vertreter der Deutschen Minderheit absolvierten zwischen dem 23. und 25.05.2011 in Berlin eine Reihe von  Begegnungen mit Vertretern des Bundestages, des Auswärtigen Amtes und des Bundeskanzleramtes. Ziel der Treffen war die Präsentation von Aktivitäten der Deutschen Minderheit in Polen mit besonderer Berücksichtigung der Lage des minderheitensprachlichen Bildungssystems. Ebenso die Darstellung der Arbeiten, die im Rahmen des Runden Tisches unter Beteiligung der polnischen und der deutschen Regierung sowie der deutschen Minderheit in Polen und der Polonia aus Deutschland stattfinden.

An der durch die Konrad Adenauer Stiftung organisierten Reise nahmen teil: Bernard Gaida, Präsident des Verbandes der Deutschen Gesellschaften – einer Dachorganisation alle Verbände der Deutschen in Polen, Ryszard Galla, Sejmabgeordneter, Rafal Bartek, Generaldirektor des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit, Marcin Lippa, Vorsitzender des Verbandes der Deutschen in der Wojewodschaft Schlesien und Joanna Mroz, Pressesprecherin des Verbandes der Deutschen im Oppelner Schlesien.

Die Deutschen in Polen bilden eine ca. 300.000 Staatsbürger zählende Gruppe, die in den ehemaligen deutschen Gebieten wohnt. […] Während der Volkszählung im Jahr 2002 gaben 150.000 polnische Staatsbürger die deutsche Volkszugehörigkeit an. Da immer noch das Eingestehen der deutschen Volkszugehörigkeit, insbesondere unter der älteren Generation Befürchtungen hervorruft, spiegelt diese Zahl die Realität nicht wider. Zu den verschiedenen Verbänden der Deutschen Minderheit in Polen zählen fast 100.000 Mitglieder.

Während des dreitägigen Besuches trafen Vertreter der Minderheit den Bundestagabgeordneten Thomas Silberhorn, CSU, Mitglied des EU-Arbeitskreises und des Rechtsausschusses. Abgeordneter Silberhorn betonte, daß Polen einer der wichtigsten Partner Deutschlands sei. […]

Während weiterer Gespräche mit dem Abgeordneten Dietmar Nietan, SPD-Fraktion des Bundestages, wurde der Medienvorwurf der polnischen Opposition der fehlenden Symmetrie in der Behandlung der Deutschen Minderheit in Polen und der Polen in Deutschland zur Sprache gebracht. Der Abgeordnete betonte, daß die Behandlung der beiden Gruppen nicht unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Symmetrie betrachten werden darf, sondern unter dem Blickwinkel der Symmetrie der Achtung beider Gruppen und deren Behandlung als gleichberechtigter Gesprächspartner für die Regierungen beider Länder. Während der Gespräche wurde die Bedeutung der Erforschung der Assimilation der deutschen Minderheit zur Zeit des Kommunismus in Polen ebenso betont. 

Mit den Folgen dieser Assimilation kämpft die Deutsche Minderheit bis heute. In den Jahren 1945-1989 existierte u.a. formell unter Androhung harter Strafen ein Verbot, in der Öffentlichkeit und privat Deutsch zu sprechen, wodurch zwei Generationen der Deutschen in Polen die Möglichkeit genommen wurde, die Muttersprache zu erlernen[…]. Aus diesem Grund bereitet die deutsche Sprache besonders den Generationen Schwierigkeiten, die während des Kommunismus aufgewachsen sind. Gegenwärtig besteht die Hauptaufgabe der deutschen Minderheit in der Widereinführung der deutschen Sprache als Muttersprache und Alltagssprache.

Um dies zu erreichen, bedarf es einer grundsätzlichen Neuregelung des Bildungsmodels der Minderheiten in Polen. Gegenwärtig lernen 98 % der Kinder (der deutschen Volksgruppe; Ergänzung d. Übersetzers) Deutsch in Form von drei Wochenstunden zusätzlichen  Unterrichts der Sprache der Minderheit. Dies ist eine absolut nicht ausreichende Form. Lediglich an einigen Schulen in den Wojewodschaft Oppeln und Schlesien gibt es bilinguale (zweisprachige) Klassen, wo ein Teil der Unterrichtsfächer in beiden Sprachen erfolgt. Der Deutschen Minderheit in Polen liegt daran, das gegenwärtige Drei-Stunden-Model  in die oben erwähnte (zweisprachige, Anmerkung des Übersetzers) Bildungsform zu transformieren, oder sogar in eine Bildungsform mit Schulen, wo die Unterrichtssprache Deutsch ist. Dieser Endzustand wäre ein Zugewinn nicht nur für die Kinder aus den Kreisen der Minderheit, sondern auch ein Bildungsangebot an die Polen. […]

Während der Beratungen wurden die Falschmeldungen besprochen, die insbesondere durch Vertreter der Polonia in Deutschland und – der deutschen Minderheit gegenüber feindlich eingestellte – rechte Kreise in Polen verbreitet werden. Fälschlicherweise wird die Öffentlichkeit informiert, daß die Deutsche Minderheit 25 Millionen Euro für den Deutschunterricht in Polen erhält.

Um die Bundestagsabgeordneten aufzuklären wurden sie informiert, daß Polen an die Gemeinden, in denen Eltern den Willen bekundeten, ihre Kinder am Deutschunterricht als Sprache der Minderheit teilnehmen zu lassen, einen Bildungszuschuss von aktuell ca. 90 Millionen Zloty im Jahr auszahlt. Dieser Betrag wird direkt an die Gemeinden als Träger der Schulen in Form eines Zuschusses ausbezahlt, und die Gemeinden bestimmen gänzlich unabhängig über die Verwendung der Mittel. Damit besteht kein Anspruch darauf, daß diese Mittel ausschließlich für die Förderung von Deutsch als Sprache der Minderheit bestimmt werden. Angesichts der großen finanziellen Probleme der Gemeinden werden die Mittel für unterschiedliche andere Zwecke eingesetzt. Es läßt sich nicht feststellen, wieviel von diesen Mitteln tatsächlich den Kindern der deutschen Minderheit zu Gute kommt. Es wird geschätzt, daß es sogar unter 40 % sind. Die Prüfergebnisse der NIK (Höchste-Kontroll-Kammer) aus dem Jahr 2010 bestätigen dies. Es wird festgestellt, daß der Zuschuss oft für Aufgaben verwendet wird, die in keinem Zusammenhang mit der Minderheit stehen. Deshalb wird vorgeschlagen, die Ausgabepraxis der Subvention zu überprüfen.

Die Vertreter der Deutschen Minderheit trafen auch Ruprecht Polenz, CDU, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Während der Gespräche unterstützte er die Bildungspläne der Deutschen Minderheit. Er betonte, daß ein deutsches Bildungswesen ein starkes Argument für deutsche Investoren sei, um Firmenniederlassungen dort vorzunehmen, wo ein deutschsprachiges Bildungssystem existiert. Mitarbeiterkinder dieser Firmen können solche Schulen besuchen, was ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl eines Niederlassungsortes in Polen darstellt. Vertreter der deutschen Minderheit betonten jedoch, daß ohne Unterstützung des polnischen Staates bei der Umsetzung der Bildungsstrategie und ohne Unterstützung bei der Erarbeitung von zweisprachigen Schulbüchern, wie auch bei der Ausbildung von Lehrern für solche Fächer wie Biologie, Chemie oder Mathematik, keine Minderheit alleine zurecht kommen wird.

Beim Gespräch mit der Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutsche Minderheiten der CDU/CSU-Fraktion unter dem Vorsitz von Klaus Brähmig wurde betont, daß sowohl die Deutsche Minderheit in Polen als auch die Polonia in Deutschland ein enormes Potential für den Aufbau von freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern darstellt. Die in den Medien kolportierte zahlenmäßige Stärke von polnischstämmigen Personen in Deutschland wurde dabei auch besprochen. Die Polonia gib an, daß sich die Zahl um die 2 Millionen Personen bewege. Vertreter der Deutschen Minderheit erinnerten daran, daß man dazu auch Personen zählt, die auf Grund ihrer deutschen Abstammung Polen verlassen haben. Die sogenannten Spätaussiedler, d.h. polnische Staatsbürger deutscher Abstammung, bilden gegenwärtig in Deutschland eine Gruppe von ca. 1,5 Millionen Personen. Zu diesem Personenkreis werden auch Familienmitglieder der Deutschen Minderheit aus Schlesien gezählt […]

Vertreter der Deutschen Minderheit betonten bei allen Gesprächen, daß Polen sehr gute gesetzliche Rahmenbedingungen in Bezug auf nationale Minderheiten besitzt. Polen ratifizierte auch europäische Bestimmungen, wie die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen und die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten. Dennoch gibt es immer noch Probleme bei der Umsetzung dieser Bestimmungen. Man unterstrich, daß es gegenwärtig nicht ausreicht, eine antidiskriminierende Haltung anzunehmen. Vielmehr ist es notwendig, die Minderheit als einen wichtigen Bestandteil der Gesamtgesellschaft  zu unterstützen. Vertreter der Deutschen Minderheit unterstrichen, daß zwei Punkte des Gesetzes über nationale Minderheiten bezüglich einer aktiven Unterstützung der Minderheit seitens der Regierungsorgane, der Wojewoden mit eingeschlossen, bis heute nicht umgesetzt werden. Art. 21 des Gesetzes besagt, daß der für die Angelegenheiten der Religion und ethnischer- und nationaler Minderheiten zuständige Minister das Wissen über die Minderheiten und deren Kultur verbreiten sollte. Ebenso sollte er Untersuchungen der Lage der Minderheiten im Bezug auf Ursachen für Diskriminierung, ihre Formen  und ihre Vermeidung initiieren. Als Beispiel für das Unterbleiben dieser Aktivitäten kann die Situation der zweisprachigen Ortsschilder dienen. Auf das regelmäßige Übermalen der Tafeln gibt es keine Reaktionen der Administration, insbesondere seitens des Wojewoden. […] In der Frage der Akzeptanz und der Präsenz im öffentlichen Raum, sind die Deutschen in Polen immer noch auf die Unterstützung der Mehrheit angewiesen […].

 

Die gemeinnützige Gesellschaft wurde 1980 als Arbeitsgemeinschaft Menschenrechtsverletzungen in Ostdeutschland (AGMO) gegründet.
Die AGMO e.V. wurde im Jahre 1990 in das Vereinsregister eingetragen.