Zwei Generationen, ein Ziel – Gründer und Jugend der deutschen Volksgruppe in Oberschlesien

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Der Vorstand der AGMO e.V. - Gesellschaft zur Unterstützung der Deutschen in Schlesien, Ostbrandenburg, Pommern, Ost- und Westpreußen hat kürzlich zwei Oberschlesische Frauen aufgesucht. Die eine gehört zu der ersten Generation von Aktivisten des Deutschen Freundschaftskreises (DFK) in Oberschlesien; die andere wurde nach 1990 geboren. Sie hat vor kurzem den Vorsitz einer DFK-Gruppe übernommen. Die AGMO e.V. hat mit beiden gesprochen, um deren Motivation auf den Grund gehen zu können. Wir bitten Sie, werte Unterstützer unserer Arbeit, mit Ihren Spenden der AGMO e.V. weiterhin zu ermöglichen, unter anderem den Gruppen dieser beiden Frauen mit tatkräftiger Hilfe zur Seite zu stehen. Unter dem Stichwort „AGMO-Arbeit“ können Sie wichtige Hilfe leisten.

AGMO e.V.: Sehr geehrte Frau Lamla, Sie kennen die AGMO e.V. nun schon seit über 25 Jahren. Seit dieser Zeit waren Sie auch verantwortlich beim DFK Ratibor-Studen aktiv. Erzählen Sie, wie der Kontakt zur AGMO e.V. zustande gekommen ist?

Ursula Lamla: Mit der AGMO e.V. hatten wir von Anfang an guten Kontakt; gleich, als der DFK registriert worden ist. Ursprünglich kam der Kontakt über den ersten Vorsitzenden, Blasius Hanczuch, zustande. An Herrn Oprzondek (Ehrenvorsitzender und Gründer der AGMO e.V.) kann ich mich als ersten erinnern. Er kam manchmal mit Michael Fuchs und Klaus Schuck vom Bund der Vertriebenen. Am Anfang ging es mit den Schulungen durch die AGMO e.V. los. Denn wir wußten nicht, wie man einen Verein wie den DFK führen soll. Die ersten Schulungen fanden in Troppau und in dem ersten Bezirksbüro, das hier in Studen gelegen war, statt. Danach kamen über die AGMO e.V. die ersten Gelder für die Ausstattung der registrierten Gruppen des DFK hier im Kreis Ratibor. Diese Gelder stammten aus dem Bundeshaushalt, und der BdV hat sie über die AGMO e.V. an die Gruppen des DFK geleitet.

Ursula Lamla vom DFK Ratibor-Studen

AGMO e.V.: Was ist neben den Finanzierungshilfen für die Ausstattungen der DFK-Büros aus dieser Zeit eine besonders lebendige Erinnerung?

Ursula Lamla: Das waren immer die Weihnachtspäckchen. Und medizinische Hilfsmittel sowie Kleidung kamen über (AGMO-Vorstandsmitglied) Manfred Weinhold zu uns. Das war immer eine ganze LKW-Ladung voll. Wie haben auch Ausstattungsmaterialien für Kindergartengruppen und Schulklassen erhalten. Das waren mindestens fünf komplette Ausstattungen für Gruppen. Diese Hilfe trägt heute noch Früchte. Ein Junge, der in Studen den Kindergarten und die Grundschule besuchte, hat sich jetzt an der Schule als Deutschlehrer beworben.

Ich erinnere mich auch sehr gut an die Lieferungen von Musikinstrumenten, die immer Herr Weinhold organisiert hat. Bei diesen Projekten für die Ausstattung von Vorschulgruppen war vom DFK auch immer Georg Mordeja engagiert. Ich erinnere mich, wie einmal drei Laster mit Büchern bei uns ankamen. Da war auch der Herr Oprzondek als Chef von der AGMO e.V. dabei. Es kamen auch Meßbücher in deutscher Sprache für unsere Pfarrer an. Ebenso habt Ihr auch Schulungen für Kindergärtnerinnen ermöglicht. Die Vertreter der AGMO e.V. haben wir immer als Leute empfunden, die sehr freundlich und herzlich zu uns waren.

AGMO e.V.: Wie wichtig war für Sie in den Gruppen des DFK neben der Hilfe in Form von Sachleistungen die Unterstützung durch Bargeld?

Ursula Lamla:
Das war sehr wichtig. Denn in Oppeln gab es noch kein Konsulat und da hätten wir immer bis nach Breslau fahren müssen.

AGMO e.V.: Hatten Sie in der ersten Zeit auch Kontakt mit dem AGMO-Mitglied Hartmut Koschyk, der damals Generalsekretär des Bundes der Vertriebenen war?

Ursula Lamla:
Der Herr Koschyk war hier bei uns in Ratibor-Studen. Das war noch, bevor der DFK in Ratibor überhaupt offiziell registriert worden ist. Also es war schon noch gefährlich, sich als Deutscher zu erkennen zu geben. Und in dieser Zeit hat Hartmut Koschyk an einem wichtigen Treffen teilgenommen. Das ganze fand heimlich statt. Wir haben die Fenster abgedunkelt, und die PKW wurden vor einem anderen Haus geparkt als dem, wo das Treffen stattgefunden hatte. So sollte vermieden werden, daß die Polizei Kennzeichen von PKW mit Aktivisten des Untergrund-DFK in Verbindung bringen konnte. Bei diesem Treffen, das im Haus von Willibald Fabian in Studen stattgefunden hatte, war auch Herr Koschyk dabei. Aber nicht nur er hat uns in der ersten Zeit besucht; auch der deutsche Botschafter und der Staatssekretär Horst Waffenschmidt.

Als der Botschafter aus Warschau zu uns zu Besuch kam, hatten wir hier in Studen die erste deutsche Fahne am DFK-Büro aufgezogen. Der Pater Leppich hat hier in Studen in der Kirche die erste Messe in deutscher Sprache gehalten. Auch mit der Hilfe der AGMO e.V. haben wir den Eichendorff-Chor gegründet. Die erste Probe hat am Nikolausabend des Jahres 1989 stattgefunden. Das waren die schönsten Tage und die schönste Zeit im DFK.

AGMO e.V.: Was wäre Ihr Fazit? Welche Bedeutung hatte die Hilfe durch die AGMO e.V. in den ersten Jahren?

Ursula Lamla: Eine sehr große Bedeutung hatte die Arbeit der AGMO e.V. Das Wichtige war, daß die Hilfe der AGMO e.V. immer so bei uns ankam, wie wir es brauchten. Die Schulungen waren sehr hilfreich. Herr Oprzondek hat uns das alles in deutscher Sprache erläutert. Das war wirklich sehr bedeutsam.

AGMO e.V.: Sehr geehrte Frau Jasik, es hat die AGMO e.V. sehr gefreut, daß Sie den Vorsitz des Deutschen Freundschaftskreises (DFK) in Mechnitz übernommen haben. Erzählen Sie uns doch vielleicht etwas zu ihrem Werdegang und Ihrer Motivation, diese Funktion zu übernehmen?

Natalia Jasik: Ich bin Wirtschaftswissenschaftlerin. Vor einigen Monaten habe ich meinen Magisterabschluß an der Polytechnik Oppeln erworben und jetzt schon ein Doktorstudium begonnen. Das Fach „Internationale Beziehungen“ ist meine große Leidenschaft.

Natalia Jasik vom DFK Mechnitz

Eigentlich wollte ich das erst gar nicht. Aber die Vorgängerin hat mich zwei Monate vor der Wahl des Vorstands angerufen und gebeten, die Arbeit zu übernehmen. Der DFK in unserem Dorf hatte Probleme. Aber man hat mir versprochen, daß wir mit dem DFK ganz neu anfangen können. (...) Ich arbeite auch im Büro der Sozialkulturellen Gesellschaft der Deutschen im Bezirk Oppeln, und da dachte ich mir, es läßt sich vielleicht Nutzen für den DFK in Mechnitz draus ziehen. Jetzt kann ich den Menschen zeigen, daß der DFK für Mechnitz etwas Gutes bedeutet.

AGMO e.V.: Wie wird Ihr Engagement angenommen? Man hört manchmal von Generationskonflikten in den Gruppen? Es gibt zwischen den Generationen ja einfach unterschiedliche Lebenseinstellungen und Sichtweisen.

Natalia Jasik: Das war eigentlich gar kein Problem. Von Anfang an hat man mich sehr gut aufgenommen. Eigentlich war ich sehr überrascht. Damit hatte ich gar nicht gerechnet. Es sind so viele Leute auf mich zugekommen. Darunter auch zahlreiche, die gar nicht im DFK Mitglied sind. Alle haben ihre Glückwünsche ausgesprochen und auch die Hoffnung beschrieben, daß wir in Mechnitz jetzt ein neues Kapitel anfangen werden. Ich habe mich sehr über diese Herzlichkeit gefreut.

AGMO e.V.: Was waren denn Ihre ersten Schritte als Vorsitzende? Wie haben Sie sich in Ihrer Aufgabe eingelebt?

Natalia Jasik: Die ersten Wochen habe ich als sehr positiv empfunden. Die ersten Vorstandstreffen waren auch sehr unkompliziert. Die älteren erfahrenen Mitglieder haben mir gesagt, daß ich ihre Unterstützung haben werde. Wenn ich Hilfe brauche, sollte ich fragen. Man wird mir immer helfen. Ganz problemlos war der Übergang nicht. Aber das haben wir jetzt nach einem halben Jahr gut in den Griff bekommen. Meine Freundin, die auch die stellvertretende Vorsitzende des DFK Mechnitz ist, hält mir immer den Rücken frei, so daß ich mich auf die Arbeit als Vorsitzende konzentrieren kann.

AGMO e.V.: Was waren die ersten Projekte mit dem DFK Mechnitz? Was ist das Ziel Ihrer Arbeit mit und für den DFK? Wenn es vorher nicht ganz einfach war und zwischen dem DFK und anderen Gruppen im Ort Spannungen gab, wollen Sie auch hier auf die Menschen zugehen?

Natalia Jasik: Mit der Projektarbeit will ich zeigen, daß der DFK nicht nur für sich arbeitet, sondern für alle Bewohner von Mechnitz da ist. Das ist nicht ganz einfach. Die Zahl der Mitglieder im DFK, auch die Zahl der Menschen, die so eine enge Verbindung zu Deutschland und der deutschen Sprache und Kultur fühlen, die wird nicht automatisch größer. Da müssen wir viel Arbeit leisten.

Mein Gefühl ist, daß dies aber nicht nur an den jungen Menschen liegt. Ältere Mitglieder sind vielleicht oft auch aus Gewohnheit beim DFK. Sie zahlen ihre Mitgliedsbeiträge, aber sind dann nicht weiter bereit, bei Projekten mitzuarbeiten. Das wäre aber sehr schön, denn so können wir dem ganzen Dorf zeigen, wie wichtig unsere Aktivitäten für den ganzen Ort sind. Der DFK muß ein Platz für alle Menschen in Mechnitz werden. Das ist mein wichtigstes Ziel.

Das erste große Projekt, das der neue Vorstand durchgeführt hat, das war die Märchennacht 2015. Leider war es nicht einfach, ausreichend Kinder zur Teilnahme zu bewegen. Aber ich vermute, daß hier den Leuten in Mechnitz die neuen Verantwortlichen noch nicht bekannt waren. Da bin ich mit meiner Freundin zwei Tage von Haus zu Haus durch Mechnitz gegangen und habe die Eltern überzeugt, Ihre Kinder zu uns zu schicken. Wir haben alle Kinder angenommen. Auch Kinder von Familien, deren Eltern nicht zu den Deutschen gehören. Kinder verstehen nicht, was der DFK ist, und ob jemand Deutscher oder Pole ist.

Dann haben wir eine Bootsfahrt auf dem Fluß Malapane veranstaltet und ein Fest zum Kennenlernen durchgeführt. Ich habe dabei den Menschen in Mechnitz die Arbeit der Strukturen der deutschen Volksgruppe im Bezirk Oppeln vorgestellt: Wie man auf der Bezirksebene arbeitet, was wir dort im Büro machen und was meine Pläne als Vorsitzende des DFK sind. Wir haben unsere geplanten Projekte vorgestellt. Auch die „Kinder-Schatzsuche“, die bald stattfindet.

AGMO e.V.: Wie sieht es denn damit aus, demnächst auch Samstagskurse in Mechnitz anzubieten?

Natalia Jasik: Das wollen wir demnächst auch anbieten. Aber wir müssen uns in der Arbeit einrichten und die Möglichkeiten ausloten. Bei dem nächsten Projekt „Schatzsuche“ wird es ganz sicher auch einen deutschsprachigen Teil geben. Aber wir wollen das Schritt für Schritt ausprobieren.

AGMO e.V.: Sehr geehrte Frau Jasik, wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen Ihnen und Ihrem Vorstand alles Gute und ganz viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.

Die gemeinnützige Gesellschaft wurde 1980 als Arbeitsgemeinschaft Menschenrechtsverletzungen in Ostdeutschland (AGMO) gegründet.
Die AGMO e.V. wurde im Jahre 1990 in das Vereinsregister eingetragen.